09.03.2014

23. 02. – 01. 04. 2014 Galerie G, Freiburg i. Br.

       Raumblau        Annette Merkenthalers Fotografie hat immer eines im Sinn: einen Ort zu erkennen, seine spezifische Aussage zu bestimmen, die Atmosphäre festzuhalten. Dann beginnt ein komplexer Prozess poetischer Transformation, häufig dadurch, dass sie Fotos aus ihrem näheren Umfeld an einem anderen Ort „aussetzt“, so in einer Art künstlerischer Versuchsanordnung einen Dialog in Gang bringt, bei dem die Zeit ein wichtiger Mitspieler ist. 2010 war dies, begleitet durch ein Katalog-Buch „Hinter den Gärten“ hier in der Galerie zu sehen.

In der aktuellen Ausstellung ist ein Raum in ihrem Haus, die Küche nämlich, Anlass für konzentrierte Wahrnehmung; es ist Alltags-Realität, die sie zu stillen, poetischen Bildereignissen verdichtet: Wir schauen in einen Backofen wie auf eine Bühne, sehen in der Backofentür gespiegelt Fimo-Figurinen Pirouetten drehen. Dem Eierkocher traut man sofort einen eigenen Willen zu. Ein Salzstreuer sträubt sich gegen den Dialog mit der Zuckerdose. Die Poesie von Küchensieb und Pfanne ist unwiderstehlich.

Zum Inventar der Bildmotive gehören blaue Stapelstühle, roter Mohn, gelbes Papier, Gläserformationen, eine Fliege, welke Blumen – AMs Fotografien haben mit Schatten und Spiegelungen, mit Reflexen und Lichtflecken eine hohe malerische Wirkung. Gegenstände werden in Flächen zerlegt, und auf wundersame Weise entstehen plastische Zeichen.

Inszenierung und Spontaneität halten sich raffiniert die Waage.

Aufs Erste gesehen, ist die Anlage ihrer Fotografien in dieser Ausstellung „einfacher“ als letzthin; seltener kommen Überlagerungen und Verschiebungen ins Spiel, die Bildereignisse sind unspektakulär. Es sind keine gedachten oder geträumten Räume, sondern sehr konkrete Orte. Diese werden imaginär, indem sie in ein neues Bezugssystem gestellt werden. Die eigentliche Verwandlung geschieht diesmal installativ im Raum: Zwei große blaue Bildflächen als Mitspieler lassen Ort und Zeit neu entstehen. Sie zeigen Ausschnitte von Tür und Teppich ihrer Küche, doppelt verfremdet durch Überdimensionierung und Farbe.

Blau war in AMs Projekten immer sehr präsent – es gab den Himmelboden, es gab Narzissen- und Anemonenblau, es gab den Fluss – nun also Raumblau. Blau ist auch die Farbe der Entgrenzung und ermöglicht es AM, sich einen vertrauten Ort fremd zu machen. Es gelingt der Spagat zwischen Nähe und Ferne.

Februar 2014, Dr. Gudrun Selz